Ein Soldat berichtet aus Afghanistan

Bernd Küstner bei seinem Vortrag

21. Juni 2016

Die Burgthanner SPD hatte für ihr letztes „Ortsgespräch live“ den Stabsoffizier Bernd Küstner eingeladen, der schon drei Mal im Einsatz in Afghanistan war. Und sein überaus spannender Vortrag und eine für alle fruchtbare Diskussion führte dazu, dass das Zeitlimit von 2 Stunden bei weitem nicht ausreichte, um die Informationsbedürfnisse des Publikums bei diesem Frühschoppen der Burgthanner SPD zu befriedigen. Denn das, was der Bundeswehr-Stabsoffizier von seinen drei Einsätzen in Afghanistan zu berichten hatte, war viel informativer, als vorher vielleicht absehbar war. Wer bei dem Thema erwartet hatte, über den Sinn und Unsinn von Bundeswehreinsätzen im Ausland diskutieren zu können, wurde zwar enttäuscht, aber die überaus spannende Schilderung der persönlichen Umstände eines solchen Einsatzes war ergiebiger als jede politische Diskussion.

Küstner stammt aus Schwaig, hat in Nürnberg Abitur gemacht und ist schon direkt nach dem Abitur als Offizier zur Bundeswehr gegangen – ihm war früh klar, dass es sein Berufsziel war, Soldat zu werden. Seine Familie mit Frau und vier Söhnen lebt in Schwaig, er ist dort Gemeinderat: schon die Diskrepanz zwischen dem „bürgerlichen“ Dasein und der Gefährdung, der Küstner als Soldat ausgesetzt ist, löste erste Diskussionen aus. So seien die Familie und ein intaktes soziales Umfeld mit seinem Job durchaus vereinbar mit Gefährdungen und Einsatzorten, die über ganz Deutschland und inzwischen über die ganze Welt verteilt sind. Küstner war bisher dreimal in Afghanistan: Zuerst im Rahmen von ISAF und dann im Rahmen von Resolute Support (RSM). Zuerst handelte es sich um den Auftrag, Sicherheit zu schaffen, d.h. auch gegen die Taliban zu kämpfen. RSM dagegen ist eine Ausbildungsmission, bei der die deutschen Soldaten afghanische Soldaten ausbilden. Küstner spannte einen weiten Bogen von den Vorbereitungen über die Durchführung in Afghanistan bis zur Nachbereitung eines solchen Einsatzes. Zur Vorbereitung gehören neben den genuin soldatische Fähigkeiten, wie Schieß- und Sanitätsausbildung auch die umfangreiche Vermittlung von Kenntnissen über das Land und die Regeln, nach denen die Einsätze abzulaufen haben.

Am interessantesten waren natürlich die Einzelheiten des Einsatzes. Das Camp in Baglan, in dem Küstner eingesetzt war, 80 km vom Stützpunkt in Kundus entfernt, liegt im Norden Afghanistans in einer im Sommer brütend heißen, im Winter schneebedeckten Landschaft, die durch Brauntöne bestimmt ist: die Wüste wird lediglich durch einen Fluss mit einer scharf begrenzt Vegetationszonen unterbrochen. Ein Gefühl für die Lebensumstände in Zelten oder Containern, wobei ein Container mit Klimaanlage mit 7 mal 2,50 Meter Platz für drei Soldaten bieten muss, konnte Küstner durch seine Schilderung und ergänzende Bilder sehr plastisch vermitteln.

Nicht zu kurz kamen auch die Beschreibung Afghanistans und der Afghanen, die Küstner mit der Dauer die Mission vertrauter, aber auch immer unbegreiflicher wurden. Der lange Aufenthalt im Land verschafft einige Einblicke in das Verhalten und die Lebensumstände der Afghanen. Sie zwingen zu Genügsamkeit und ständiger Improvisation. Der Kontakt mit den Einheimischen ist begrenzt auf das afghanische Personal der Bundeswehr. Kontakte z.B. mit Kindern sind nicht möglich, steht doch immer die Gefahr von Anschlägen im Hintergrund.

Die Gefährlichkeit der des Einsatzes wurde auch durch einige Beispiele deutlich. Ein Sprengstoffanschlag auf einen Marderpanzer oder der Beschuss von Pioniersoldaten machten die ständige Bedrohung, der auch etliche Kameraden zum Opfer fielen, deutlich. Beeindruckend auch die Schilderung eines Einsatzes. Bei einer Patrouille konnte Küstner im Nachtsichtgerät Bauern auf sich zukommen sehen, wohl wissend, dass in den vergangenen Tagen Bundeswehsoldaten durch Panzerabwehrraketen beschossen worden sind. Die Bauern kommen von der Feldarbeit und tragen Gegenstände bei sich, die nicht klar zu identifizieren sind – Waffen oder Werkzeuge? Glücklicherweise wird die Szene durch eine Drohne beobachtet, durch deren Informationen die in Sekundenbruchteilen zu fällende richtige Entscheidung möglich wird: Es handelt sich um friedliche Bauern. Entwarnung! Die Verantwortung für die Kameraden wie für die Bevölkerung war direkt spürbar. Ohne Scheu beschreibt Küstner seine Situation nach Ende der Einsätze. Die Eingewöhnung in der Familie ist nicht unproblematisch. Die Familie hatte auch ohne ihn funktioniert, jetzt muss jedes Familienmitglied seinen Platz neu finden. Oder die Gewöhnung an eine Welt ohne ständige Bedrohung: der bei uns harmlose Mülleimer war in Afghanistan möglicherweise Behälter für eine Sprengfalle. Küstner berichtete auch von der Möglichkeit posttraumatische Belastungen durch Kur und psychologische Behandlung zu Hause aufarbeiten zu können.

Sein Fazit nach den drei Einsätzen war positiv. Fürsorge, Kameradschaft und eine erfüllende, effiziente Tätigkeit im multinationalen Umfeld machten die Gefährdungen und Einschränkungen wett. Für die Zuhörer, die sich während des Vortrags immer wieder zu Wort gemeldet hatten, war der Vormittag eine Gelegenheit, eine andere Sicht auf die umstrittenen Einsätze zu gewinnen: War zuerst die Frage im Vordergrund, ob diese Einsätze richtig oder falsch sind, stand später die Persönlichkeit des Soldaten und sein Handeln im Fokus. Küstner setzte allerdings auch als gegeben voraus, dass der Bundestag den Einsatz beschlossen hat, er also als Soldat nur die Ausführung des Auftrags zu verantworten hat. Und bei der Fülle der Informationen und der Fragen war klar, dass die vorgesehenen 2 Stunden bei weitem nicht ausreichen.

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